Anvertraute Zeit – Ausstellung 2003

Eine Ausstellung aus Anlass des 150-jährigen Bestehens des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland im Jahr 2003

Schmidt, Walter, Pfarrer, Archivrat
Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland
vor Wandschrank mit alten Akten
Malstatt
März 1961
Foto: Erich Gelf

Der Titel der Ausstellung ist einer Liedzeile aus dem Evangelischen Gesangbuch entnommen. Der Dichter und Komponist ist Otto Riethmüller (1889-1938), der sich in der NS-Zeit führend in der Jugendarbeit der Bekennenden Kirche engagierte und sich dafür der zweifelhaften Aufmerksamkeit der Gestapo erfreute. 1934 entstand in Anlehnung an einen antiken Hymnus des Ambrosius von Mailand sein Lied “Du Schöpfer aller Wesen” (EG 485).

Ohne explizit angesprochen zu sein, scheint das historische Umfeld durch den Liedtext hindurch, ähnlich wie in dem wenige Jahre später entstandenen Lied Jochen Kleppers zum Jahreswechsel “Der du die Zeit in Händen hast”. Angesichts der für Christen schwierigen politischen Lage ruft Riethmüller den Beter einerseits in die Verantwortung vor Gott, er entlastet ihn aber andererseits damit, dass er jede Zeit als von Gott kommend und zu ihm zurückfindend versteht. Wenn es in der zweiten Strophe heißt: “Anbetend, Herr, wir singen das Lied der Ewigkeit, zu dir zurück wir bringen die anvertraute Zeit”, so wird die Zeit gesehen als Geschenk und Herausforderung gleichermaßen, die im Angesichts Gottes verantwortlich zu gestalten bleibende Aufgabe der Christen ist.

Kirchberg
Kirche
Skizze : Provinzialkirchliches Bauamt
1941
LKA 41 Kirchberg 14

Anlass der Ausstellung ist das 150-jährige Bestehen des Landeskirchlichen Archivs. Alle Exponate stammen aus den Beständen des Archivs mit seinen beiden Standorten in Düsseldorf und Boppard. Die evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes im Überblick ist bislang in zwei Ausstellungen thematisiert worden. Auf der großen Jahrtausend-Ausstellung der Rheinlande in Köln 1925 widmete sich ein Raum vor allem dem Reformationsjahrhundert, die Zeit nach 1600 fand sich nur noch durch einige Lieder Neanders und Autografen Tersteegens dokumentiert. Ungleich breiter war der Ansatz der Ausstellung “Reformatio. 400 Jahre Evangelisches Leben im Rheinland”, die anlässlich des 12. Deutschen Evangelischen Kirchentages 1965 wiederum in Köln zu sehen war. Nicht weniger als 615 Exponate von 161 Leihgebern boten einen überwältigenden Überblick, der in einem wissenschaftlichen Katalog für die Nachwelt festgehalten wurde.

Bibelkreis-Heim Baltrum
Monster
1929-1932
Schüler BK Fotos Kurt Schmidt und Johannes Schlingensiepen

Variatio delectat, und das Archiv der EKiR verfolgt bei seiner Jubiläumsausstellung im Jahr 2003 wiederum einen neuen Ansatz. Hier geht es um den Versuch, ausgewählte Facetten evangelischen Lebens vom Niederrhein bis zur Saarregion aus nahezu 500 Jahren zu visualisieren. Die Bildcollagen bieten eine unorthodoxe Revue durch die rheinische Kirchengeschichte. Ziel ist keinesfalls ein Heldenepos etwa nach dem Motto “Von der Kirche unter dem Kreuz bis zur Bekennenden Kirche”, obgleich hinreichend Zeugnisse großen persönlichen Mutes und Tapferkeit zu sehen sind. Anliegen des Archivs ist aber nicht zuletzt die Darstellung des Alltags mit seinen kleinen Sorgen um den angemessenen Stuhl in der Kirche, Fragen der Amtstracht und der kirchlichen Finanzen sowie der Kritik an langweiligen Predigten. Angesprochen werden recht individuelle Ausprägungen von Frömmigkeit ebenso wie Aspekte des vielfältigen kirchlichen Vereinswesens.

 

Für den Historiker Leopold von Ranke stand 1820 noch zweifelsfrei fest: “In aller Geschichte wohnt, lebet, ist Gott zu erkennen. Jede Tat zeuget von ihm, jeder Augenblick prediget seinen Namen… Er steht da wie eine heilige Hieroglyphe.” Letztere zu entschlüsseln, sah er als die Berufung des Historikers an. Oder weniger pathetisch formuliert: “Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade…”

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