4KG 004 – Aachen

Laufzeit: 1520-1955
Umfang: 102 Kartons
lfd. Meter: ca. 18
lfd. Nummern: 675
Akzessionsdatum: 1978
Findmittel: 1960
Signatur: 4KG 004

Ev. Kirchengemeinde Aachen

Zwischen 1550 und 1580 bildeten sich in Aachen – z. T. durch Einwanderung aus den Niederlanden- eine deutsch-reformierte, eine wallonisch-reformierte, eine lutherische und eine Mennonitengemeinde. Zusammen stellten sie etwa 60% der Einwohnerschaft der eigentlich katholischen Reichsstadt. Das Zusammenleben von Menschen verschiedener Konfessionen wirkte sich maßgeblich auf den Alltag, die Entwicklung und schließlich auch auf die Geschichte der Stadt aus. Besonders die erste Phase des Aachener Protestantismus (ca. 1550 bis 1614/1616) wurde durch das Neben-, Mit- und Gegeneinander sowie sich wechselnde Machtverhältnisse geprägt. Dabei strahlten die interkonfessionellen Konflikte über die Stadtgrenzen hinaus und wurden schließlich als „Causa Aquensis“ auch am kaiserlichen Hofe verhandelt. Die Aachener Sache gewann damit nicht nur reichsweite Bekanntheit, sondern lockte vielmehr auch auswärtige Akteure an, die religiös motiviert politisch Einfluss zu nehmen suchten. Die anhaltenden konfessionellen und politischen Auseinandersetzungen gipfelten dann erstmals 1597 in der Verhängung der Reichsacht über Aachen. Die Hoffnung auf gütliche Verhandlungen fand schließlich mit der Eskalation innerstädtischer Streitigkeiten zwischen 1611 und 1616 vollends ihr Ende. 1616 wurden die Anführer des letzten protestantischen Aufstandes enthauptet, die katholische Obrigkeit restituiert und das Ziel gefasst, Aachen wieder zu rekatholisieren. Den protestantischen Gemeinden wurde es verboten ev. Gottesdienste in der Stadt abzuhalten. Folglich konnte das Gemeindeleben nur im Verborgenen fortgeführt werden und man sah sich gezwungen in andere Ortschaften auszuweichen. Die Lutheraner lehnten sich an Stolberg – wo sich das Zusammenleben mit Katholiken weitgehend friedlich gestaltete -, die Reformierten an Vorweiden an. Einzig im niederländischen Vaals gestand man ihnen zu, ihren Gottesdienst auszuüben. Gerade die zweite Phase des Aachener Protestantismus, d.h. die Zeit zwischen dem westfälischen Frieden und der französischen Herrschaft, ist somit durch das Phänomen des „Auslaufens“ gekennzeichnet. Darunter versteht man die Überquerung einer Grenze um einen freien, öffentlichen Gottesdienst auf der anderen Seite der Grenze abhalten zu können. Diese Möglichkeit ergriffen die dt.-ref. Gemeinde Burtscheid, dt.-ref. Gemeinde Eupen, die dt.-ref. Gemeinde Vaals, die Wallonische ref. Gemeinde Aachen-Burtscheid-Vaals, die luth. Gemeinde Aachen-Burtscheid-Vaals und auch die Mennonitische Gemeinde Burtscheid-Vaals-Maastricht, die überwiegend in Vaals in vier verschiedenen Gebäuden Gottesdienste abhielten. Erst die französische Herrschaft brachte den Protestanten in Aachen Religionsfreiheit und 1802 wurde ihnen die Annakirche zugewiesen. Lutheraner und Reformierte schlossen 1837 die Union. 1903 wurde die Filialgemeinde Herzogenrath selbständig, 1933 vereinigte sich die Kirchengemeinde Burtscheid mit Aachen. Der Bestand ist mit Blick auf die wechselvolle Geschichte der Gemeinde und die Kriegszerstörungen 1944-45 auch für die frühe Neuzeit überraschend dicht und aussagekräftig.

Inhalt u.a.: 43 Urkunden 1520-1802; Exercitium religionis der luth. und der ref. Gemeinde (16.-18. Jh.); Korrespondenzen mit anderen ref. Gemeinden (16.-18. Jh.); Personalakten der Pfarrer (u.a. umfangreiche Korrespondenz von Pfr. Georg Ulrich Wenning, 1615-1696); Belege der Kirchen- und Armenkasse 1588-1837; Protokolle der luth. Gemeinde (1586-1837), der ref. Gemeinde (1589-1837) und der unierten Gemeinde (1837-1943); Viktoriaschule Aachen 1868-1942.

Literatur: Rosenkranz, Albert (Hrsg.): Das Evangelische Rheinland. Ein rheinisches Gemeinde- und Pfarrbuch, Bd. 1 Die Gemeinden, S. 25-27. Richter, Thomas: Koexistenzen und Konflikte. Die Entwicklung der protestantischen Gemeinden in der katholischen Reichsstadt Aachen an den Grenzen des Alten Reiches (1645-1794), Bonn 2021. Kirchner, Thomas: Katholiken, Lutheraner und Reformierte in Aachen 1555-1618, Tübingen 2015.

Ergänzende Archivbestände: 1OB 008 (Ortsakten Aachen 1854-1971).

Digitalisierte Akteneinheiten: Protokolle des ref. Konsistoriums (1586-1780), Protokolle des luth. Konsistoriums (1586-1816), der ref. Gemeinde Burtscheid (1634-1764), Verpachtung der Kirchensitze in der St. Anna-Kirche (1577-1611), Kirchenzeugnisse (1583-1824).