5WV 021B – Stift St. Goar

Laufzeit: (820) 1321-1901
Umfang: 74 Kartons
lfd. Nummern: 241
Akzessionsdatum: 1996
Findmittel: 1953
Signatur: 5WV 021B

Stift St. Goar

An der nach einem aquitanischen Eremiten des 6. Jahrhunderts benannten Goarszelle, die 765 von König Pippin dem Abt von Prüm zum Benefizium gegeben wurde, entstand im späten  8. Jahrhundert – wohl im Zusammenhang mit der Übertragung der Gebeine Goars in die neue Kirche – ein  Klerikerkollegium von sechs, später zwölf Geistlichen mit einem Dechanten an der Spitze. Als Vögte dieser Klerikergemeinschaft, die später zum Chorherrenstift wurde, fungierten zunächst die Herren von Arnstein. Nach ihrem Aussterben 1185 wurden sie von den Grafen von Katzenelnbogen beerbt. Diese bauten St. Goar zum Verwaltungszentrum ihrer Niedergrafschaft aus und konnten im Jahr 1449 die Rechte des Abts von Prüm an dem Stift käuflich erwerben. 1479 übernahmen die Landgrafen von Hessen das Katzenelnboger Erbe und führten 1527/28 die Reformation ein. Die Gemeinden der Niedergrafschaft Katzenelnbogen gehören somit zu den ältesten evangelischen Gemeinden im Rheinland. Die Klerikergemeinschaft erlosch mit dem Tod ihres letzten Mitglieds um die Mitte des 16. Jahrhunderts, doch blieb das Stift als Rechtspersönlichkeit mit Vermögen und Einkünften, verwaltet durch einen Stiftskellner, bestehen.

Der Bestand Stiftsarchiv St. Goar gliedert sich in eine Urkunden- und eine Aktenabteilung Entsprechend der lediglich lokalen Bedeutung des Stifts beinhaltet der Großteil der 148 Urkunden des 14. bis 18. Jahrhunderts Grundstücks- und Geldverleihungsgeschäfte mit Einwohnern der näheren Umgebung. Besonders erwähnt seien darüber hinaus zwei Ablassurkunden für die Wallfahrer nach St. Goar aus dem Jahr 1344 sowie eine aus dem Kloster Altenberg bei Wetzlar stammende Urkunde aus dem Jahr 1445. Eine Schenkungsurkunde Kaiser Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 820 über den Walddistrikt, aus dem später die Vogtei Pfalzfeld hervorging, ist in einer Abschrift des 19. Jahrhunderts vorhanden.

Die Akten des Stiftsarchiv umfassen den Zeitraum 1413-1901, wobei der Schwerpunkt auf dem 17. und 18. Jahrhundert liegt. Von herausragender historischer Bedeutung sind die im Zuge der Einführung des lutherischen Bekenntnisses in der Niedergrafschaft Katzenelnbogen entstandenen Akten des 16. Jahrhunderts, insbesondere die Verhandlungen der hessischen Synoden im 16. Jahrhundert und die Visitationsakten. Letztere dokumentieren auch die konfessionellen Konflikte des 17. Jahrhunderts, als die Niedergrafschaft Katzenelnbogen im Dreißigjährigen Krieg zwischen der reformierten Linie Hessen-Kassel und der lutherischen Linie Hessen-Darmstadt heftig umkämpft war und Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels, dem die Niedergrafschaft Katzenelnbogen 1648 unter Vorbehalt der Kasseler Landeshoheit zugefallen war, 1652 zum Katholizismus konvertierte. Zu erwähnen sind auch die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Rechnungen des Stifts und des Hospitals sowie die 1413 einsetzenden Präsenzrechnungen.

Verluste/Lücken: Akten Nr. 15 (Streitigkeiten mit Katholiken, 1662-1789), Nr. 87 (Ehebruch des Kanoniker Antonius von Werle, 1531), Nr. 88 (Atlas der Liegenschaften des Stifts, 1777), Nr. 89 (Lagerbuch, 1890).

Literatur: Hermann Krüger-Velthusen (Hg.), Der St. Goarer Stiftsfonds. Gutachten des Geheimen Reg.- und Schulrats Dietrich Wilhelm Landfermann vom 28. Mai 1856; Ferdinand Pauly: Das Stift St. Goar, in: Ders.: Das Erzbistum Trier Bd. 2 (Germania Sacra N. F. 14/2), Berlin-New York 1980, S. 147-265.

Ergänzende Archivbestände: 1OB 014 (Stiftsfonds); 1OB 020 (Provinzialkirchenarchiv), A I VIII und B I II 6; 4KG 023B (Pfarrei St. Goar); LHA Koblenz, Bestand 166 (Augustiner-Chorherrenstift St. Goar) u. Bestand 638 (Stadt St. Goar, „Hessen“-Archiv).